kommentier mal bitte den vorwurf "fahrlässige körperverletzung mit todesfolge"
Sanitäter vor dem Amtsgericht: Wäre der Mann bei einer schnelleren Hinzuziehung eines Notarztes noch zu retten gewesen?
Der umstrittene Tod eines 59-jährigen Obdachlosen
Der 18. Dezember 2007 war ein kalter Tag: Nur zwei Grad zeigte das Thermometer am späten Nachmittag. Der Mann, der neben dem Post-Kiosk unterm Schlafsack dahindämmerte, lag im Sterben. Zwei Mitarbeiter des Gemeindevollzugsdienstes hatten den 59-jährigen Obdachlosen gegen 16.30 Uhr in der dunklen Ecke neben der Post entdeckt und einen Rettungswagen gerufen. Eine halbe Stunde später war der Mann kollabiert und musste reanimiert werden, ein Notarzt konnte ihn noch mal stabilisieren. Tags drauf starb er in der Heidelberger Uniklinik.
Wegen unterlassener Hilfeleistung mussten sich jetzt vor dem Amtsgericht ein 25-jähriger Sanitäter und ein 29-jähriger Rettungsassistent verantworten. Die Anklage hatte den beiden Männern vorgeworfen, die hilflose Lage des Patienten nicht richtig eingeschätzt und zu spät einen Arzt hinzugezogen zu haben. Die beiden Angeklagten gaben vor dem Strafgericht unter Vorsitz von Richterin Melanie Hund zu Protokoll, der Mann sei zunächst ansprechbar gewesen, habe es aber abgelehnt, zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht zu werden. Erst nachdem die Polizei hinzugerufen worden sei, habe man ihn in den Krankenwagen bringen können. Plötzlich sei der Mann bewusstlos geworden und habe wiederbelebt werden müssen. Eine vitale Bedrohung sei bis dahin nicht zu erkennen gewesen: "Es gab keinen Grund, einen Arzt zu rufen, erst als auf einmal der Kreislauf versagte." Auch sei es niemals so gewesen, dass sich die beiden Sanitäter - so der Vorwurf von Polizei und Gemeindevollzugsdienst - hätten entfernen wollen.
"Sie wollten ihn nicht mitnehmen"
Die beiden Mitarbeiter des Ordnungsamtes schilderten die Sachlage anders: Der 59-Jährige habe sehr schlecht ausgesehen, umstehende Obdachlose hätten erzählt, dass der Mann seit mindestens einem Tag nahezu regungslos da liege. Er habe selbst mit Hilfe nicht aufstehen können und nur noch mit schwacher Stimme geantwortet. Der Vorschlag, die Polizei zu rufen, sei von den Sanitätern gekommen. Die Polizisten hätten unmissverständlich angeordnet, dass der schwerkranke Mann in eine Klinik gebracht werden müsse. Der Notarzt sagte ebenfalls vor Gericht aus. Er habe im Rettungswagen einen "hervorragend versorgten Patienten" vorgefunden, "adäquat behandelt, mit stabilem Kreislauf", der Maßnahmenkatalog sei von den beiden Sanitätern "komplett abgearbeitet" worden. "Eine erregte Diskussion", wie der Mann zu behandeln sei, habe es gegeben, berichtete ein 37-jähriger Polizeibeamter. Der Rettungsdienst habe sich geweigert, den 59-Jährigen mitzunehmen und immer von einer "sozialen Indikation" gesprochen: "Dabei hatte der gar keinen Alkohol getrunken."
"Der Mann lag an diesem Nachmittag schon im Sterben", sagte Professor Dr. Rainer Mattern in seinem Gutachten. Der Direktor des Heidelberger Instituts für Rechts- und Verkehrsmedizin hatte den 59-Jährigen obduziert. "Eine extreme Lungenentzündung", wie es sie nur bei Obdachlosen gibt, sowie einen Kreislaufschock hatte der Mediziner festgestellt. Als er in den Rettungswagen verbracht worden sei, sei er schon klinisch tot gewesen. Eine frühere Einlieferung in eine Klinik hätte aus rechtsmedizinischer Sicht den Tod nicht mehr verhindert. Ein weiterer Gutachter hatte sich mit dem zeitlichen Ablauf des Vorfalls beschäftigt. Stephen Dreher, Dozent an der DRK-Landesschule, ging vor allem auf die Vorwürfe der Polizeibeamten sowie der Mitarbeiter des Ordnungsamts und deren "laienhafte Einschätzungen" ein. Es habe seiner Meinung nach kein "hochvitaler Notfall" vorgelegen, die Sanitäter hätten die Weigerung des Mannes, sich klinisch versorgen zu lassen, akzeptieren müssen. Eine objektive Gesamteinschätzung sei in der Ecke neben dem Kiosk nicht möglich gewesen. Die Unterkühlung sei nur schwer zu beurteilen gewesen, akuter Handlungszwang habe sich erst mit dessen plötzlicher Bewusstlosigkeit ergeben. Die Auswertung des Funkprotokolls zwischen Leiststelle und Besatzung habe gezeigt, dass sich die beiden Sanitäter nicht vom Einsatzort entfernen wollten. Sie hätten nur über die Polizei "für eine fürsorgliche Gewahrsamsmaßnahme" sorgen können. Über fünf Stunden lang ging es bei den Zeugenaussagen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung hin und her.
Am Donnerstag, 2. April, um 15.45 Uhr wird der Prozess fortgesetzt. vw
Mannheimer Morgen
31. März 2009
hab hier mehr nackte Frauen gesehen als in meinem Leben zuvor