Bundeswehrproblem
Es fing alles an einem wunderschönen Nachmittag an. Ich komme von der Schule und auf dem Tisch liegt ein fetter Brief vom Kreiswehrersatzamt. Fast alle anderen aus meiner Stufe wurden bereits ein halbes Jahr zuvor gemustert, weshalb kaum mehr einer über die Bundeswehr sprach und die besten Zivi-Stellen schon weg waren. Das ist zwar blöd, aber damit kann man leben. Viel bescheuerter war der Termin, den ich bekam: 04.01.2005. Genau ein Tag nach meinem Geburtstag und für diesen hatte ich bereits eine Hütte gemietet und ein Haufen Leute eingeladen. Daraufhin hab ich meine Geburtstagsfeier einen Tag nach vorne verschoben und reingefeiert. Für die Hütte konnte ich dann natürlich zwei Nächte zahlen.
Da ich seit vier Jahren Bluthochdruck habe, der mit Medikamenten behandelt werden muss und ich mitbekommen habe, aus welch lächerlichen Gründen manche Kollegen ausgemustert wurden, holte ich mir beim Arzt die entsprechenden Atteste und machte mit keine weiteren Gedanken über meinen Wehrdienst.
Ein Tag vor meiner Geburtstagsfeier kam dann erneut ein Brief. Ich dachte zuerst nur an eine Erinnerung seitens der Bundeswehr, damit ich meinen Termin nicht vergesse, aber nein: „Wegen Ausfalls medizinischen Fachpersonals hebe ich Ihre Ladung zum 04.01.2005 auf.“ Neuer Termin: 03.02.2005. Nach ein paar Minuten hatte ich mich jedoch auch hiermit abgefunden. Kann ja mal passieren. Da der neue Termin nicht in den Schulferien lag bin ich erstmal aufs Rektorat und hab mich für den neuen Termin frühzeitig beurlauben lassen.
Am 02.02.2005 lag dann erneut ein Brief vom Kreiswehrersatzamt im Briefkasten. Direkt aufgemacht und siehe da: „Wegen Ausfalls medizinischen Fachpersonals hebe ich Ihre Ladung zum 03.02.2005 auf.“ Neuer Termin: 08.03.2005. Nachdem sich meine Körpertemperatur aufgrund der Aufregung wieder normalisiert hatte, fand ich mich jedoch auch mit diesem Schreiben ab. Was wäre mir auch anderes übrig geblieben?
Der Monat verging und es kam kein neuer Brief mehr. Bin da also hingegangen und hab gewartet. Die Musterung besteht eigentlich hauptsächlich aus Warten, ab und zu wird man mal in ein Zimmer geschickt, in dem irgendeine Person ein paar Fragen stellt, dann darf man wieder weiter warten. Schlussendlich bin ich dann in dem Warteraum gelandet, in dem man auf einen Arzt wartet, der einen für tauglich erklärt oder nicht. Dort unterhalten sich die meisten Wartenden darüber, dass es ihnen eigentlich sehr gut geht und sie viel Sport machen, z.B. Fußball spielen, von diversen Ärzten aber jede Menge Atteste bekommen haben. Alles nur Kleinigkeiten. Jemand hatte ein Attest, welches ihm bescheinigte, dass seine Knie völlig zerstört sind. Er hat zu mir gesagt, dass es ihm überhaupt nicht schlecht geht und er darauf hofft jetzt bald dranzukommen und ausgemustert zu werden, weil er gleich noch ein Fußballspiel hätte. Dann machte er noch eine witzige Bemerkung, dass er hofft, dass im Warteraum keine Mikrofone hängen. Als nächstes wurde er aufgerufen. Nach einer Minute kam er wieder ins Wartezimmer. Direkt ausgemustert. Als er ging, rief ihm die Ärztin noch eine gute Besserung hinterher. Als nächstes kam ich dran. Sie machte ihre Untersuchungen und stellte fest, dass mein Blutdruck sehr hoch war. Daraufhin gab ich ihr meine Atteste. Außer meinem Hausarzt, der mir Bluthochdruck und Pollenallergie bescheinigte, hatte ich noch Unterlagen vom Krankenhaus, die meinem Bluthochdruck bestätigten. Diese Unterlagen waren vom behandelnden Arzt, vom Oberarzt und vom Chefarzt unterschieben. Sie schaute sich die Unterlagen an und sagte: „Wenn jeder ankommt und meint er hätte Bluthochdruck, dann könnte ich mein Büro hier ja gleich schließen“. Als ich sie darauf hinwies, dass sicher nicht jeder in meinem Alter jeden Tag Medikamente nehmen muss, sagte Sie: „Wenn der Blutdruck mit Medikamenten eingestellt ist, sind Sie wehrdiensttauglich. Ist der Blutdruck trotz der Medikamente zu hoch, muss die Medikation erhöht werden und auch dann sind Sie wehrdienstfähig.“ Nach einer halbstündigen Diskussion mit ihr gab Sie mir dann einen Zettel: „Nach dem Ergebnis der Musterung vom 08.03.2005 sind Sie vorübergehend nicht wehrdiensttauglich und werden bis einschließlich 08.06.2005 vom Wehrdienst zurückgestellt.“ Dazu sagte Sie, dass ich erneut einen 24h-Blutdrucktest machen und diesen zum nächsten Termin mitbringen soll. Mitten in meiner Wehrdienstuntauglichen Zeit kam dann erneut ein Brief mit einem neuen Musterungstermin am 07.06.2005.
Ich latsch also erneut mit meinem neuen Testergebnis dahin, auf welchem man deutlich erkennen konnte, dass ich Bluthochdruck habe, welcher nicht nur zu behandeln, sondern auch schwer einzustellen ist, in der Hoffnung diesmal einen netteren Arzt zu erwischen.
Nach unzähligem Warten ging es dann von vorne los. Ich kam zum Arzt und gab ihm meinen Befund. Daraufhin sagt er, dass die Werte doch ganz gut seien. Ich hätte zwar einen leichten Bluthochdruck, jedoch keinen schlimmen. Dazu muss ich sagen, dass aus den Unterlagen hervorgeht, dass mein Blutdruck tagsüber zu 79,2% über dem Grenzwert liegt, nachts zu 50%. Trotz Medikamenten. Der Arzt erklärte mir, dass er mich lediglich ausmustern kann, wenn ich bereits an Spätfolgen des Bluthochdrucks leide, was meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich ist, da es ja SPÄTfolgen sind. Ob ich aufgrund von meinem Bluthochdruck bereits mit 40 Jahren meinen ersten Herzinfarkt bekommen werde interessiert ihn nicht. Fakt ist, dass ich momentan wahrscheinlich noch keine Spätfolgen habe. Und um dies abzuklären muss ich erneut ins Krankenhaus. Deshalb bin ich heute mit einem Zettel heimgelaufen, auf dem ich auf eine erforderliche Zusatzuntersuchung hingewiesen werde, mit dem Hinweis, dass diese am 04.07.2005 abgeschlossen sein sollte.
In drei Wochen habe ich meine mündlichen Abiturprüfungen, danach will ich Maschinenbau studieren. Die nächste Uni, die mir dies ermöglicht, findet man in Karlsruhe.
Da ich momentan in Freiburg wohne, muss ich mir also noch ne Wohnung suchen. Zusätzlich kann ich mein Studium nur zum Wintersemester beginnen. Der Bund kotzt mich mittlerweile so an, dass ich am liebsten verweigern würde. Auch die Psychologin (?) vom Kreiswehrersatzamt hat mir geraten zu verweigern. Gleichzeitig sagte mir eine andere Frau, dass nicht mehr garantiert werden kann, dass ich bereits im Oktober eingezogen werde, falls ich wehrtauglich werde, weil es schon so spät ist. Falls ich wehrtauglich werde heißt das also, dass ich mein Studium weder dieses Jahr beginnen kann (weil ich dann mitten im Semester eingezogen werden würde) noch nächstes Jahr (weil ich dann noch am Anfang des Semesters beim Bund wäre, ganz abgesehen von der Zeit, die ich brauche, um mir eine Wohnung zu suchen). Wenn ich jetzt verweigere, was bestimmt noch mal länger geht bis der Antrag durch ist, dann hab ich den gleichen Kack am Hals nur mit Zivi statt Bund.
Mal abgesehen davon, dass ich jetzt gleich einen Termin für die Zusatzuntersuchung machen werde (auch wenn ich zu 99% noch keine Spätfolgen habe), um die Sache möglichst schnell hinter mich zu bringen, hab ich keine Ahnung was ich dann machen soll.
Soll ich verweigern, so wie es mir mittlerweile mein Gewissen vorschreibt und um meine Gesundheit zu schonen, auch wenn ich dabei in Kauf nehmen muss, dass ich dann wahrscheinlich erst noch ein Jahr später mit dem Studium beginnen kann, oder soll ich nicht verweigern und hoffen, dass sie mich noch zum Oktober einziehen, auch wenn ich mit dem hierarchischen Ordnungssystem dort kaum klarkommen werde?
" Ein Mensch sollte nie mehr Staub aufwirbeln, als er bereit ist zu schlucken "