Habe hier noch ein Artikel aus der Zeitschrift Motorrad zum Thema RAM-Air gefunden, da dachte ich gleich an diesen alten Thread hier. ;-)
Heiße Luft Sagenhafter Leistungszuwachs? Turboeffekt?
Die schwarzen Löcher in den Verkleidungsnasen moderner Supersportler sorgen für Wirbel an den Stammtischen. Alles nur heiße Luft, oder bringt der Aufwand auch Aufwind?
Von Jörg Schüller; Fotos: Stefan Wolf, Achim Hartmann (1)
Vorboten geisterten schon Ende der 80er durch die Rennsportwelt. 1993 präsentierte Kawasaki dann mit der ZXR 750 die erste Serienmaschine mit Ram-Air-System. Die Idee ist einfach und genial zugleich: Der Motor saugt durch eine günstig im Fahrtwind gelegene Öffnung an der Fahrzeugfront an. So gelangt die Luft nicht nur schön kühl zu den Vergasern, sondern der Fahrtwind drückt sie auch mit Überdruck in die Airbox. Überdruck und Kälte bedeuten eine hohe Luftdichte und damit einen hohen Sauerstoffgehalt - und viel Sauerstoff steigert die Leistung. Hurra! Die theoretischen Zusammenhänge zwischen Motorleistung, Luftdichte und Fahrgeschwindigkeit sind im Kasten auf Seite 28 erläutert.
Mittlerweile atmet fast jedes Sportbike durch martialische Nüstern. Aber wieviel bringt der Aufwand eigentlich? Als Testkandidatinnen standen bereit: die Kawasaki ZX-7 R und die Suzuki GSX-R 750 für die Ram-Air-Fraktion und die Yamaha YZF 750 R, die auch im vierten Modelljahr noch unter dem Tank ansaugt.
Drei Größen wurden über die Bandbreite der Fahrgeschwindigkeit meßtechnisch erfaßt: der Differenzdruck zwischen Airbox und Umgebung, die Temperaturdifferenz zwischen Außen- und Ansaugluft in der Airbox und schließlich die Höchstgeschwindigkeit.
Die ZX-7R machte ihren Staubsaugerschlauch-bewährten Ahnen Ehre und schnitt am besten ab. Selbst bei niedrigem Tempo erzeugt ihr mit Vollast ansaugender Vierzylinder keinen Unterdruck. Stattliche 259 km/h zeigt das Datarecording denn auch am Ende der Meßmeile. Dabei stehen 0,024 bar Überdruck an. Die Ansaugluft erwärmt sich nur um etwa drei Grad. Bleiben umgerechnet etwa zwei Prozent Mehrleistung oder zwei km/h Tempoplus . Nun ja. Die Kawa-Airbox ist am aufwendigsten aufgebaut und abgedichtet. Großflächige, aerodynamisch günstig angeströmte Ansaugöffnungen führen die Luft in die Airbox. Der Gewebe-Luftfilter der Kawa erzeugt nur wenig Druckverlust.
Das liebevoll „SRAD“ getaufte Ansaugsystem der Suzuki ist etwas simpler konzipiert und nur durch Schaumstofflippen abgedichtet. Auch die Anströmung an der Verkleidung ist aerodynamisch weniger ausgeklügelt. Deshalb und vielleicht auch wegen ihres verluststarken Papierfilters herrscht bei der Suzi bis etwa 200 km/h sogar Unterdruck in der Airbox. Bei Höchstgeschwindigkeit kommen nur etwa 0,012 bar Überdruck bei fünf Grad Ansauglufterwärmung zustande. Die Erwärmung macht leider zunichte, was der Überdruck an Leistung gut macht. An solcher besteht offenbar trotzdem kein Mangel, denn die GSX-R galoppiert gnadenlose 262 km/h.
Und die Yamaha? Kommt wie erwartet nie in den Überdruckbereich. Sie erzeugt einen Unterdruck von bis zu 0,014 bar . Die befürchtete starke Ansauglufterwärmung bleibt aber aus. Zwei Grad - das ist vernachlässigbar und sogar weniger als bei den beiden Ram-Airlinern. Und langsam ist die YZF mit 253 km/h auch nicht.
Um letzte Klarheit zu schaffen, muß die ZX-7R auf dem Prüfstand der Uni Vaihingen noch eine Leistungsmessung mit und ohne Fahrtwindsimulation erdulden. Mit einem Zuluftgebläse können dort Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h erzeugt werden. Die Kawa beschleunigt die Prüfstandsrolle einmal mit und einmal ohne Wind - 119 zu 116 PS am Getriebe lautet das Ergebnis. Ein bescheidener Leistungszuwachs und nur bei Höchstgeschwindigkeit, wohlgemerkt. Und wenig genug, um innerhalb der Prüfstandstoleranz zu liegen.
Was also ist zu halten vom hochgelobten Ram-Air? Eindeutig bringt es einen Leistungszuwachs. Genauso eindeutig ist dieser nur bei hohen Geschwindigkeiten bedeutsam. Bei Tempo 250 macht die ZX-7R fast 0,040 bar Airboxdruck auf die YZF gut. Würde man der Yamaha die Kawa-Airbox mit entsprechender Abstimmung verpassen, gewänne man vier Prozent Leistung bei Hochgeschwindigkeit. Statt 253 würde die Yamaha dann 256 rennen. So wenig macht es aus! Klar, auf der Rennstrecke, wo es um Zehntelsekunden geht, zählt jedes Jota Leistung. Auf der Straße aber steht der Sinn des zusätzlichen konstruktiven Aufwands in Frage. Außerdem ist es gut möglich, daß die Kawa und die GSX-R den Airbox-Vorteil durch die große Stirnfläche, die die Nüstern benötigen, aerodynamisch verspielen und nur dank überlegener Motoren schneller laufen.
Für Rechner: die Theorie
Die Motorleistung steigt theoretisch proportional zur Luftdichte. Und die nimmt quadratisch mit der Fahrgeschwindigkeit zu. Bei 100 km/h ist ein Druckanstieg von etwa einem halben Prozent zu erwarten. Legt man 100 PS zugrunde, gewinnt man also ein halbes PS. Bei 200 km/h wären es schon zwei, bei Tempo 250 über drei PS Leistungszuwachs. Ideal und verlustfrei, versteht sich. Die Kühlung der Ansaugluft um sechs Grad brächte ein weiteres Prozent Leistung. Leider wächst der Leistungsbedarf zur Überwindung der Fahrwiderstände aber mit der dritten Potenz der Fahrgeschwindigkeit. Drei Prozent mehr Leistung bedeuten deshalb nur ein Prozent mehr Geschwindigkeit. Desillusionierende Theorie: aus 250 km/h werden 252,5 km/h.
Mikx_5
Dekadenz ist, wenn das Beste erst noch getuned wird bis es gut genug ist ! !