In Perlmuttweiß und Rot strahlt sie mich an, die Mutter aller neuzeitlichen Superbikes. Mit ihr wurde 1998 eine neue Ära von Sportmaschinen geschaffen. Kompromisslos. Schnell. High-End – R1. Selbst heute, volle 10 Jahre später, ist in den meisten Foren über die RN01 noch eine respektvolle Betrachtung herauszulesen. „Bäriger Motor“ … „Drehmomentmonster“ … gar „Widwenmacher“ wurde ihr an den Kopf geworfen. Doch was ist 10 Jahre nach dem Mythos noch geblieben?
Ich bewege meine 600er Tcat mittlerweile in Bereich wo ich sage, dass ich die Maschine kenne und sie beherrsche, ja, eine gewisse „Langeweile“ ist sogar in aufgekommen. Ein guter Zeitpunkt mal eine RN01 unter die Lupe zu nehmen.
Bei meinem örtlichen HH steht witziger Weise gerade ein passendes Exemplar, mit ein wenig Zubehör und in der gewünschten rot-weißen Lackierung. Fix wurde ein Termin für eine Probefahrt ausgemacht, der seitdem herangesehnt wurde. Heute war es soweit. Sie stand da und strahlte mich an, ihre schon abgewetzten Supercorsas sorgten bei mir für Vertrauen, hatten sie mich doch schon auf meiner 600er überzeugt. Die Schaltereinheiten wirken vertraut, genau wie der Ton des Anlasser und das Motorgeräusch. Nur ein wenig dumpfer, nach mehr klingend. Wieder laufen vor meinem geistigen Auge die Schlagwörter wie in einem Kinofilm herunter. Also mit bedacht herangehen. Die Kupplung ist gewöhnungsbedürftig, da der Kupplungszug sich annährend in wohl gefallen auflöst. Solang es kuppelt, soll es mir für die eine Fahrt egal sein. Also los, runter vom Hof des Händlers. *ping* Reserveleuchte an. Klasse, erstmal tanken. Auf dem Weg zur Tanke wird um imaginäre Pylonen herumgezirkelt, bis mich ein hupender Dosenfahrer aus der Ruhe bringt. Der Motor benimmt sich bis dahin manierlich, lässt sich locker flockig mit 3000upm fahren. Kurze Gasstöße werden sofort in Vortrieb umgewandelt, allerdings nicht so extrem, wie man hört und liest, dass es einem das Vorderrad jedes Mal lupft. Schnell für einen Zehner getankt und ab Richtung Wasserkuppe und Kurven. Zu meinem Vorteil ist, dass man für die Besichtigung nicht wegfahren musste, und somit auch die Straßen bekannt sind. Das Wetter spielt auch mit. Die ersten zwei, drei Kurven wird piano gefahren, doch die ONE benimmt sich vorbildlich, allerdings doch nicht so handlich wie erwartet. Einer einmal eingeschlagenen Linie läuft sie sauber nach und egal welcher Gang anliegt, Schub ist immer und überall vorhanden. Die Bremsen sind einfach nur ein Traum, verzögern brachial und doch gleich dosierbar, sofern man das nötige Gefühl aufbringen kann. Das ganze Motorrad liegt satt auf der Straße und so wird das Tempo auch immer höher. Auf der ersten langen Gerade werden drei Dosen aufgeschnupft, wobei man sich das vorherige Herunterschalten getrost hätte sparen können, hier kann locker mit Hubraum gefahren werden. Der Tacho kratzt an den 190km/h und die nächste rechts wird angepeilt, gebremst und …. viel zu langsam. Verdammt sind diese Bremsen gut. Allerdings lässt sich ein leichtes Rubbeln der Beläge nicht verleugnen. Die Einheit Mensch und Maschine nimmt immer mehr gestalt an. Ab dem Wendepunkt Wasserkuppe hält uns dann nichts mehr. Wie war das damals beim YBC 06? –Mehr Schräglage, mehr Gas! Bis mich die Reserveleuchte wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Der Gedanke ans Liegen-bleiben wird nochmals verdrängt, die letzten Kurven vor der Ortschaft müssen noch mal sauber und mit Drehzahl genommen werden. Die Linienwahl gelingt sofort. Die Sitzposition ist generell sehr sportlich, wobei es bei aktuellen Superbikes noch extremer zum Vorderrad hingeht. Ein kurzer Stopp noch zu Hause um ein paar Erinnerungsfotos zu schießen und schon musste ich sie leider wieder abgeben. Kurz war es, aber meine Entscheidung ist gefällt. Im Frühjahr brauch ich so ein Teil, warum? Ein festgetackertes Grinsen unterm Helm ist Erklärung genug…
Gruß
Speedy