Sie trauern um Anna S.
Schüler und Lehrer der Friedrich-List-Schule geschockt über Gewaltverbrechen
Von Ulrike Pflüger-Scherb
KASSEL. Als fröhlich, offen und rege wird Anna S. von ihrer Englischlehrerin beschrieben. Noch am Freitag unterrichtete Helga Bender-Wolanski die 18-jährige Schülerin an der Friedrich-List-Schule. Einen Vortrag über Afrika hätten die Schüler der Jahrgangsstufe 12 gehört, sagt die Lehrerin. Anna sei sehr interessiert gewesen. "Kann man da auch als Frau hingehen, oder ist das zu riskant?", zitiert Bender-Wolanski die Worte ihrer Schülerin.
Einen Tag später ist die 18-Jährige aus Kassel tot. Ihre Leiche wurde am Samstag im Gebüsch auf dem Autobahnparkplatz Scharfenstein an der A 49 bei Gudensberg (Schwalm-Eder-Kreis) gefunden. In der Nacht zu Samstag hatte sich Anna S. gegen 1.45 Uhr von einer Freundin im Stadtteil Waldau verabschiedet. Sie hatte vor, mit einem Nachtschwärmerbus von der Lilienthalstraße nach Hause, in den Stadtteil Wolfsanger, zu fahren.
Inzwischen stehe fest, dass Anna den Bus nicht genommen habe, sagt Polizeisprecher Reinhard Giesa. Der Fahrer habe erklärt, dass an der Haltestelle in der Nacht zu Samstag niemand eingestiegen ist. Allerdings könne davon ausgegangen werden, dass sich in unmittelbarer Nähe am Wahlebach der Tatort befindet. Dort hat gestern die Spurensicherung den Rucksack der Schülerin gefunden. Zudem haben zwei Zeugen in der Nacht zu Samstag einen Schrei aus der Richtung gehört, wo der Rucksack sichergestellt wurde, so Giesa. Was an dem Bach geschehen ist, ob die 18-Jährige dort getötet wurde, kann die Kripo noch nicht sagen. Die Polizei geht aber davon aus, dass der Scharfenstein der Fundort und nicht der Tatort ist.
Inzwischen stehe auch fest, dass der Streit zwischen einem Paar in einem Feld bei Edermünde-Besse, der in der Nacht zu Samstag von Zeugen beobachtet worden war, nichts mit der Gewalttat zu tun hat. Gestern habe sich eine Frau bei der Polizei gemeldet und mitgeteilt, dass sie sich gegen 2.30 Uhr dort mit ihrem Partner gestritten habe.
Dass Anna S. möglicherweise mit einem Mann gestritten und die Zeugen nicht die Polizei gerufen hatten und ihr damit hätten das Leben retten können, beschäftigte gestern Vormittag ihre Mitschüler. Da wussten sie noch nicht, dass es sich bei der Frau nicht um Anna S. handelt.
Verstehen, was mit ihrer Mitschülerin, Schülerin und Freundin geschehen ist, können weder Schüler noch Lehrer an der Schule in Kirchditmold. "Für uns alle ist die Nachricht ein Schock gewesen", sagt Schulleiter Ekkehard Nozulak. Spontan haben die Schüler Kerzen angezündet und Blumen an einen Baum gelegt. Dort steht: In Gedenken an Anna, die am 8. Juli 2006 durch ein grausames Verbrechen ums Leben kam. Heute findet eine Gedenkveranstaltung in der Schule statt.