Die Gegner von Fluglärm haben in den letzten Jahren an vielen Orten große mediale Aufmerksamkeit erfahren und so beispielsweise einige Nachtflugverbote durchgesetzt. Viele Bewohner ländlicher Gebiete haben im Frühjahr und Sommer aber mit einer ganz anderen Lärmquelle zu kämpfen: Motorradfahrern, die das gute Wetter nutzen, um ihre Maschine auf landschaftlich reizvollen Strecken voll auszufahren. Zwar hat der Gesetzgeber hier eigentlich eine klare Grenze gesetzt. Laut einer EU-Richtlinie dürfen die Fahrgeräusche einen Wert von 80 dB(A) nicht überschreiten. Bisher allerdings konnten die Hersteller diese Vorgaben mit einigen legalen Tricks umgehen. Seit dem Jahresanfang soll damit nun aber Schluss sein.
Bis die Anwohner von kurvenreichen Landstraßen von dieser Neuerung allerdings tatsächlich profitieren, dürfte noch einiges an Zeit vergehen. Denn die neuen Regelungen gelten nur für Maschinen die nach dem 01. Januar 2016 typgeprüft werden. Für alle alten Motorräder gilt hingegen ein Bestandsschutz. Diese werden nicht erneut getestet und müssen auch nicht nachgerüstet werden. Hinzu kommt, dass auch die besten Tests das Fahrverhalten nicht mit einbeziehen können. Denn beim Fahrer liegen ebenfalls erhebliche Einsparpotentiale, was den Lärm betrifft: Experten gehen davon aus, dass der Unterschied zwischen einer rücksichtsvollen und einer extrem aggressiven Fahrweise rund zwanzig Dezibel beträgt. So schützen manche Fahrer ihr Gehör zwar mit geräuscharmen Motorradhelmen, sorgen durch ihren Fahrstil jedoch für jede Menge unnötigen Lärm.
Auch die neue Richtlinie bietet Schlupflöcher
Zudem bietet auch die neue Richtlinie Möglichkeiten, den Lautstärke-Höchstwert zu umgehen. So können technisch einigermaßen begabte Fahrer einfach dämpfende Elemente aus dem Auspuff entfernen. Wer sich diese Arbeit nicht machen möchte, kann zudem auch auf einen Auspuff als Ersatzteil zurückgreifen und diesen an seiner Maschine anbringen. Dort gibt es dann beispielsweise auch Exemplare, bei denen sich die Stärke der Lärmdämpfung manuell steuern lässt. Der Vorteil der Ersatzauspuffe: Für diese gilt die EU-Verordnung UNECE 92.01, die erst im Jahr 2020 verpflichtend in Kraft tritt. Die Hersteller müssen also auch erst dann die neuen Lärmvorschriften umsetzen. Für die Soundliebhaber unter den Motorradfahrern ist dies eine gute Nachricht, viele Anwohner von beliebten Motorradstrecken dürften davon aber weniger erfreut sein.
Theoretisch ist dies eine sinnvolle Regelung, die den Unternehmen Bürokratiekosten und den Prüforganisationen doppelte Arbeit erspart. In der Praxis führt dies aber zu einem Problem: Nicht alle Testlabors sind technisch auf dem Stand der deutschen Prüforganisationen. Nachträgliche Tests haben dabei bereits gezeigt, dass im Ausland zertifizierte Maschinen die Grenzwerte in Wahrheit nicht einhielten. Sollte sich diese Tatsache langfristig nicht beheben lassen, könnte dies zu einem ungewollten Ausweicheffekt führen - die Hersteller würden ihre möglicherweise zu lauten Maschinen dann nur noch in Ländern testen lassen, die für eine eher lasche Prüfpraxis bekannt sind. Ob die neue Verordnung also tatsächlich für weniger Motorradlärm auf der Straße führt, bleibt zunächst noch abzuwarten.