III. Kurvenjagd

Endlich bin ich da wo ich hinwollte... Ich stoppe meine Maschine am Straßenrand und denke an das, was mich erwartet: Endlose Kurvenfolgen liegen vor mir, enge, weite, langsame, schnelle, ein Paradies für jeden Kurvenräuber!

Mit einem sanften Klacken rastet der erste Gang ein und die giftgrüne Kawasaki nimmt fahrt auf. Im Kopf gehe ich noch mal jede der nun folgenden Kurven durch, jeden Bremspunkt, jeden Einlenkpunkt, jede Eigenart die mich erwarten wird - los geht's! Gas auf Anschlag, Vorderrad in die Luft und das ganze untermalt von einem Sound gegen den die Jericho-Trompeten ein drittklassiges Fußgängerzonen-Blas-Ensemble sind. Nun beginnt das wahre Leben. Die erste Kurve nähert sich, ich verzögere hart, begebe mich in einen ordentlichen Hang-off und reiße die Maschine in Schräglage. Aufrichten und voll durchladen! Die Vorgänge sind völlig automatisiert, Mensch und Maschine bilden eine Einheit: Bremsen, Hang-Off, einlenken, Aufrichten und gleichzeitig das Gas öffnen - wieder und immer wieder.

Wenige Kurven später taucht endlich das erste motorisierte Zweirad auf. Leider handelt es sich dabei um eine bayrische 2-Zylinder-Boxer-Gummikuh, deren höchstwahrscheinlich graubärtiger Fahrer mit seinem Klapphelm perfekt in das typische Klischee passt. Ich reduziere mein Tempo um ihm die ein oder andere Kurve zu folgen, aber bald wird mir klar: Schräglagen über 10° kennt er nur vom Hörensagen.

Frustriert reiße ich den Gashahn auf und lasse ihn schnell hinter mir. Das Spiel beginnt von vorne: links, rechts, beschleunigen, bremsen. Kurve für Kurve, Gerade für Gerade. Ein Gefühl von Freiheit überkommt mich und ich muss unweigerlich grinsen. Erst eine rote Ampel kann meine Jagd stoppen.

Während ich im stillen alle Flüche die mir in den Sinn kommen gegen die Ampelanlage schmettere, ertönt hinter mir ein sonores Bollern - ganz klar, das ist ein V2!

 

IV. Schlagabtausch

Ein Blick in den Rückspiegel bestätigt meinen Verdacht: Eine rote Ducati 998 schiebt sich neben mich. Hämisch betrachtet der Fahrer meine Maschine. "Eisdielenposer" ist der erste Gedanke, der mir in den Sinn kommt, doch ein Blick auf die Hochgesetzte Rastenanlage und die mitgenommenen Reifenflanken lässt ihn schnell verfliegen.

Wir schauen uns an, wortlos sind wir uns sofort einig, der Schlagabtausch kann beginnen. Italien gegen Japan, V2 gegen R4, Ducati gegen Kawasaki, Mann gegen Mann. Das Rot der Ampel wird in wenigen Sekunden erlöschen, innerlich bereite ich mich auf den Start vor. Die Nadel des Drehzahlmessers pendelt sich bei 8.000 U/M ein, die Ampel schaltet um. Kupplung schleifen lassen und Vollgas! Das Vorderrad halte ich durch dosierten Einsatz der Hinterradbremse in Bodennähe, doch die Duc schiebt sich langsam an mir vorbei. Bei 130 km/h erreicht die Nadel die magische 12.000er Marke und ich hämmere den zweiten Gang rein. Verdammt, die Italienische Diva hat den Start gewonnen - dennoch ist nichts verloren. Mit rund 190 Stundenkilometern schießen die beiden Maschinen über eine Kuppe und fliegen kurzzeitig durch die Luft.

Über 240 km/h zeigt die Nadel an, als wir uns der ersten scharfen Rechtskehre nähern. Der "Kati"-treiber bremst spät, ich bremse später. Das Vorderrad schreit, wenn es zwischen den kleinsten Bodenwellen immer wieder zum stehen kommt. Hang-Off, anwinkeln und rein in den Turn. Abermals hat die Rastenanlage schärfsten Bodenkontakt - eine gefährliche Situation, denn bereits die kleinste Bodenwelle könnte meine Maschine aushebeln und mich unweigerlich in den Gegenverkehr katapultieren. Ich ziehe das Gas auf, mein Heck wird schwammig, die Hintere Pelle verliert unter der Kraft des Motors die Bodenhaftung und zeichnet beim Herausbeschleunigen einen langen, schwarzen Strich auf den Asphalt. Ganze 10 Meter hat mir die Kurve gebracht, ich klebe wieder an den beiden Endtöpfen der roten Spaghetti-Fräse.

Die nächste Passage wird schwierig: Enge Kehren drücken das Tempo teilweise unter 50 km/h. Mein Reihenvierer wird dort keine Chance gegen den übermächtigen Drehmomentberg des großen V2s haben! Ich muss mir schnellstens etwas einfallen lassen, wenn ich mir diese Schmach ersparen will. Eine schnelle Links befindet sich noch zwischen uns und den Kehrenkombinationen. So flach ich nur kann kauere ich mich hinter die MRA-Racingscheibe meiner Maschine, die Ellenbogen eingeklappt um den Luftwiederstand so gering wie möglich zu halten. Die schnelle links nähert sich, die aufleuchtenden Bremsleuchten der Ducati offenbaren mir meine Chance. Schnell lege ich meine Kawasaki in eine tiefe Schräglage, während ich das Gas nahezu voll offen stehen lasse. Ich habe meine Chance gewittert und werde sie nutzen! Beim Aufstellen das Gas wieder komplett auf Anschlag und den Schwung der Kurve ausnutzen. Der V2 hat in der Maximalleistung das Nachsehen und so ziehe ich kurz vor dem Begrenzer rechts an der Italienerin vorbei. Damit hatte er nicht gerechnet.

 

Vor mir tun sich die engen Kehren auf, ich verzögere hart, das Hinterrad beginnt beim Herunterschalten trotz der kräftigen Zwischengasstöße zu stempeln. Erneut reiße ich meine Japanische Kämpferin an ihr Schräglagenlimit. Nur knapp über 5.000 U/M am Ende der Kehre - zu wenig, die Ducati schiebt brüllend von hinten. Auf der Bremse kann ich ihn bei der Anfahrt der zweiten Kehre noch mal abwehren, doch ob ich das durchziehen kann ist fraglich. Am Ende der Haarnadel das gleiche Spiel. Ehe mein Reihenvierer seine Maximalleistung ans Hinterrad abdrücken kann, schiebt der drehmomentstarke V2 bereits kräftig aus dem Keller an - zu spät - er beschleunigt mich aus und zieht vorbei! Die Verbindungsgerade zwischen der nächsten Wende ist nur ein paar Meter lang und so wächst sein Abstand nur auf etwa 1 ½ Meter an. Meine Chance für einen Konter! Ich setze mich in seinen rechten Rückspiegel und zwinge ihn so auf eine Kampflinie, durch den ungünstigen Linienverlauf wird er meine Attacke nicht abwehren können! Meine Rechnung geht auf. Er bremst spät, zu spät und kommt so weit nach außen, schnell nutze ich seine offene Tür und schiesse innen durch.

Ganze Zehn Meter konnte ich bis zur Anfahrt der letzten Kehre zwischen uns bringen, jetzt nutzt ihm auch sein Drehmomentvorteil nichts mehr! Den Sieg vor Augen verbremse ich mich und während ich die Kawasaki zurück auf die Linie bringe, bollert die von unzähligen Kurvenjagdten gezeichnete Ducati langsam an mir vorbei.

Mit einem sauberen Quietschen kommen wir an der nächsten Ampel zu stehen - er hat gewonnen. Ein ehrfürchtiges Nicken beiderseits und wir folgen wieder unseren eigenen Wegen. Die Niederlage macht mir weniger zu schaffen als ich dachte - es wird sich eben immer jemand finden, der noch einen Hauch schneller ist.

 

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